Kindeswohlgefährdung

Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe werden gelegentlich gebeten an die Fachkräfte des Jugendamts Daten oder Unterlagen zu übermitteln, die personenbezogene Informationen enthalten. Denkbar ist dies beispielsweise im Rahmen von Fällen der Datenübermittlung bei Kindeswohlgefährdung.  Diese Anfragen führen oft zu Unsicherheit bei den Mitarbeiter : innen der Kinder- und Jugendhilfe. Daher soll hier offenen Fragen nachgegangen werden. Welche Daten dürfen im Falle einer tatsächlichen oder vermuteten Kindeswohlgefährdung als Fachkraft eines freien Jugendhilfeträgers übermittelt werden? Was ist dabei zu beachten und wann sind die Betroffenen über die Datenverarbeitung zu informieren? Die nachfolgenden Erläuterungen sollen hierbei unterstützen und für mehr Handlungssicherheit sorgen. Denn fatal wäre es, wenn aufgrund einer Unsicherheit bei dem Umgang mit Sozialdatenschutz eine Kindeswohlgefährdung unbearbeitet bliebe.

Sozialdatenschutz gilt auch für freie Träger

In der Praxis ist zu unterscheiden zwischen den Fällen, in denen das Jugendamt Hinweise zu einer Kindeswohlgefährdung erhält, und Fällen, in denen freie Träger als Leistungserbringer im Rahmen einer Hilfe zur Erziehung tätig sind, sowie Fällen im Schnittstellenbereich von Jugendamt und anderen Stellen und Personen, etwas Ärzten, Lehrer, Schulen Beratungsstellen, Kindergärten oder Jugendzentren. Vorliegend betrachten wir die Thematik „Auskunftsverhalten gegenüber Behörden bei Kindeswohlgefährdung“ insbesondere aus der Perspektive der Träger der freien Jugendhilfe.Träger der freien Jugendhilfe sind zwar keine Leistungsträger im Sinne von § 35 SGB I i.V.m. §§ 12, 27 Abs. 2 SGB I und deshalb auf den ersten Blick auch nicht an die Vorgaben des Sozialgesetzbuches gebunden. Doch sie sind sogenannte abgeleitete Normadressaten des § 35 Abs. 1 SGB I und müssen daher wiederum zum Beispiel das Sozialgeheimnis waren und bei der Datenverarbeitung die einschlägigen Vorschriften aus dem Sozialgesetzbuch analog beachten. Zudem ist festzuhalten, dass unabhängig vom Sozialdatenschutz alle staatlich anerkannten Sozialarbeiter : innen/Sozialpädagog : innen, gleichgültig, ob sie nun beim Jugendamt oder einem freien Träger beschäftigt sind, als Berufsgeheimnisträger : innen der strafrechtlichen Schweigepflicht gem. § 203 Abs. 1 StGB unterliegen. Zur Datenübermittlung personenbezogener Daten bedarf es deshalb einer Rechtsgrundlage oder der Einwilligung durch die betroffenen Personen. Das gilt ausnahmslos auch gegenüber Behörden, wie dem Jugendamt.

Datenübermittlung bei Teilnahme an Gefährdungseinschätzung

Die Befugnis zur Datenübermittlung kann sich für Fachkräfte freier Jugendhilfeträger daraus ergeben, dass sie an einer Gefährdungseinschätzung des Jugendamtes teilnehmen. Dabei ist die Rechtsgrundlage für die Übermittlung personenbezogener Daten § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X, allerdings begrenzt auf den erforderlichen Umfang. Das bedeutet, es sind nur die Sozialdaten in den Beratungsprozess einzubringen, die zur Einschätzung des Gefährdungsrisikos auch erforderlich sind. Die Erforderlichkeit orientiert sich dabei an den Tatbestandsmerkmalen des § 8a SGB VIII. Die Befugnis umfasst alle personenbezogenen Daten der betroffenen Personen an den Sozialen Dienst des Jugendamtes zu übermitteln, die notwendig sind, damit dieser das Gefährdungsrisiko fachlich rekonstruierbar einschätzen kann. Sofern es dafür auch erforderlich ist, anvertraute personenbezogene Daten/Geheimisse zu übermitteln, die dem besonderen Vertrauensschutz gem. § 65 SGB VIII bzw. der strafrechtlichen Schweigepflicht gem. § 203 StGB unterliegen, kann die Übermittlung gem. § 65 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII befugt erfolgen. Auch im Rahmen der Gefährdungseinschätzung ist der Grundsatz der Datenminimierung gem. Art. 5 Abs. 1c DSGVO zu beachten. Die Sozialdaten sind zu anonymisieren/pseudonymisieren, sofern die Aufgabenerfüllung dies zulässt. Besteht für das Jugendamt keine Grundlage, die Berichte von den freien Trägern einzufordern, besteht auch kein Zweck, diese an das Jugendamt weiterzugeben. Damit ist auch die Inanspruchnahme einer Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO nicht anwendbar.

Datenübermittlung – Informationspflicht nach Art. 13 DSGVO

Grundsätzlich ist es aus datenschutzrechtlichen Gründen, nämlich der Informationspflicht nach Art. 13 DSGVO, erforderlich, dem : der Betroffenen (also der oder den Personen, dessen/deren Daten übermittelt werden) bzw. den gesetzlichen Vertreter:innen/Erziehungsberechtigten in Kenntnis zu setzen, wenn der freie Träger personenbezogenen Daten im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung-insbesondere bei der Erfüllung des Schutzauftrages – an das Jugendamt übermittelt. Es ist wichtig, die betroffenen Personen über die Datenübermittlung an das Jugendamt rechtzeitig zu informieren und transparent darüber aufzuklären, warum dieser Schritt zum Schutz des Kindes / der : des Jugendlichen erforderlich ist.

Transparenz und Partizipation bei der Datenübermittlung

Als Akteure sollten die Betroffenen in die Mitteilung an das Jugendamt einbezogen werden. Entsprechend ist sie möglichst gemeinsam mit ihnen vorzubereiten, um sie für den weiteren Hilfeprozess nicht zu verlieren. In diesem Zusammenhang ist es ratsam, um ihre Zustimmung

in die Datenweitergabe zu werben. Selbst dann, wenn es für die Datenweitergabe eine gesetzliche Grundlage gibt. Denn es geht vor allem darum die Betroffenen für die anstehenden Handlungsschritte zu gewinnen, auch um den Fortbestand der Hilfe nicht zu gefährden. Verweigern sie trotzdem ihre Zustimmung, erfolgt die Übermittlung der Informationen zwar ggf. gegen ihren Willen, nicht aber ohne ihr Wissen. Die Datenübermittlung hat dann analog § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X zu erfolgen. Anvertraute personenbezogene Daten/Geheimnisse sind dann im zur Erfüllung des Schutzauftrages erforderlichen Umfang gem. § 65 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII i.V.m. § 34 StGB ebenfalls zu übermitteln. Eine Einbeziehung der betroffenen Personen, wie der Erziehungsberechtigten, hat zu unterbleiben, sofern dadurch eine weitere Gefahrensituation des Kindes/der*des Jugendlichen eintreten könnten oder diese erhöht würden.

Datenschutz verhindert den Kinderschutz – ein „Ammenmärchen“

Die Behauptung, dass der Datenschutz dem Kinderschutz unüberwindbare Grenzen setze, kann daher entkräftet werden. Denn wer die einschlägige Rechtsgrundlage kennt und verstanden hat, kann auch zum Wohle des Kindes handeln. Zudem bleibt auch immer die Möglichkeit sich an entsprechende Stelle zu wenden um sich rückzuversichern. Der Schutz des Vertrauens, auch durch den Datenschutz, ist also für den Kinderschutz von zentraler Bedeutung. Datenschutz ist Kinderschutz!

Zudem möchten wir auf den Leitfaden „Vertrauensschutz im Kinderschutz“ hinweisen, eine Datenschutzbroschüre, welche für das niedersächsische Sozialministerium und des niedersächsischen Landesamts für Soziales, Jugend und Familie erstellt wurde.

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