Früher war es die Stechuhr, in vielen Unternehmen ist der Stundenzettel noch analoge Realität. Aber die digitalen und mobilen Zeiterfassungssysteme sind auf dem Vormarsch. Und sie haben auch enorme Vorteile. Aber: Sobald personenbezogene Daten verarbeitet werden, muss auch der Datenschutz mitgedacht werden. Das gilt insbesondere für die besondere biometrische Zeiterfassung. Auf was Sie bei der Wahl der Zeiterfassungssoftware achten müssen und wie Datenschutzexperten Sie unterstützen können, erfahren Sie hier.
Zeiterfassung ist ein Muss
Mit einem Urteil (Urteil vom 14.05.2019, Az. C-55/18) legte der EuGH fest, dass Arbeitgeber in allen EU-Staaten Systeme zur Zeiterfassung implementieren müssen. Verlässlich, objektiv und zugänglich – das sind die objektiven Kriterien für solche Zeiterfassungssysteme. Aktuell wird an einem Gesetzesentwurf gearbeitet, um die Verpflichtung in deutsches Recht zu übertragen.
Bisher war es nur notwendig, die Arbeitszeiten zu dokumentieren, die über die werktägliche Arbeitszeit hinausgehen. Aber bereits jetzt übernehmen Gerichte die Forderung des EuGH und es gibt dementsprechend Urteile, die Zeiterfassungssysteme für Unternehmen zu einem Muss machen (Arbeitsgericht Emden vom 20. Februar 2020, Rechtssache 2 Ca 94/19) – auch wenn solche Entscheidungen durchaus umstritten sind. Für Unternehmen ist es also empfehlenswert, sich rechtzeitig mit den verschiedenen Software-Optionen auseinanderzusetzen.
Wie funktioniert die Zeiterfassung?
Es gibt verschiedene Zeiterfassungstools, mit denen Unternehmen arbeiten können.
Dazu gehören:
- Chip oder Karte
- Smartphone-App
- Software auf dem PC
Tatsächlich wäre es auch möglich, die Arbeitszeiten mittels Stechuhr, einer Exceltabelle oder mit Stundenzetteln zu erfassen. Das widerspricht aber ganz klar der Idee von Digitalisierung und ist zudem enorm aufwändig in der Dokumentation.
Digitale Lösungen sind also im Wesentlichen zeitgemäßer und sie haben weitere Vorteile. Mit der Corona-Pandemie hat das flexible Arbeiten noch einmal einen großen Sprung gemacht und Remote Work wird voraussichtlich auch in der Zukunft, nach der Corona-Krise, eine wichtige Rolle spielen.
Hier sind Tools zur mobilen Zeiterfassung Teil der Lösung. Möglich sind einfache Systeme, die das Kommen und Gehen von Mitarbeiter*innen aufzeichnen oder auch Tools zur Projektzeiterfassung- und Verwaltung. Mobile Software kann je nach Anbieter über den Rechner sowie mit mobilen Endgeräten wie Smartphones, Tablets, Apple Watchs oder mobilen Terminals, verbunden werden.
Das ermöglicht die mobile Zeiterfassung von unterwegs oder im Homeoffice, die Daten werden über die zumeist webbasierte Software direkt in die notwendigen Abteilungen des Arbeitgebers gesendet und dort auch verarbeitet.
Was müssen Arbeitgeber bei der Wahl des Zeiterfassungssystems beachten?
Bevor Unternehmen eine digitale und mobile Zeiterfassung einführen, sollten sie ausreichend Zeit auf die Wahl der Software verwenden. Wird das System von Mitarbeiter*innen nicht angenommen oder kommt es zu technischen Schwierigkeiten in der Kompatibilität der Software-Systeme, kann dies finanzielle und strukturelle Probleme geben.
Wer übernimmt die Wartung des Zeiterfassungssystems?
Wählen Sie im besten Fall einen Anbieter für Zeiterfassungssysteme aus, der auch den technischen Betrieb, die Wartung, Updates und die Weiterentwicklung gewährleistet. Das hat einen einfachen Grund: Bekommen Sie nur die Software ausgeliefert und sind für die genannten Aufgaben selbst verantwortlich, kann es sehr schnell zu einer Überforderung kommen.
Fehlende Updates führen zu Fehlern und falschen Berechnungen, was immense Auswirkungen auf die Arbeit der Kostenstelle und Personalabteilung haben kann. Ebenso können Softwarefehler und fehlende Updates zu Datenschutzpannen führen. Das sind gute Gründe, um solche To Dos bei einem externen Dienstleister zu bündeln.
Was benötigen die Mitarbeiter*innen?
Wenn eine neue Software zur Zeiterfassung eingeführt werden soll, ist es hilfreich, alle beteiligten Personengruppen in den Auswahlprozess und den Vorgang der Implementierung einzubeziehen. Insbesondere Personal- und Kostenstellen sowie die IT sollten klar kommunizieren, welche Anforderungen sie an das System stellen. So kann von Beginn an sichergestellt werden, dass die Zeiterfassungssoftware kompatibel mit der Haus-Software ist und die strukturellen Ansprüche der Verwaltung erfüllt werden.
Es sollten aber auch die Mitarbeiter*innen selbst befragt werden, was sie sich von einer Zeiterfassungssoftware wünschen. Gibt es die Befürchtung, eine Chipkarte zum Einlesen zu verlieren? Gibt es den Wunsch nach einer mobilen Zeiterfassung via Firmenhandy? Je mehr Mitarbeiter*innen in den Prozess einbezogen und Wünsche berücksichtigt werden, desto höher wird die Akzeptanz des Zeiterfassungssystems sein.
Zeiterfassung betrifft auch den Datenschutz
Zeiterfassungssysteme müssen mit der DSGVO konform sein. Insbesondere bei mobilen Lösungen muss darauf geachtet werden, inwiefern personenbezogene Daten verarbeitet und gespeichert werden. Es ist ratsam, sich mit einem Experten für Datenschutz zu beraten, welche Software die Vorgaben der DSGVO erfüllt und wie das System erfolgreich und datenschutzkonform in die Unternehmensstruktur eingeführt werden kann.
Gibt es im Unternehmen einen Betriebsrat, sollte dieser unbedingt bereits im Auswahlprozess miteinbezogen werden. Das gilt umso mehr, wenn eine biometrische Zeiterfassung anvisiert wird.
Spezialfall: Biometrische Zeiterfassung
Die biometrische Zeiterfassung hat einen großen Vorteil: Es kann keinen Arbeitszeitbetrug geben. Bei einem biometrischen Scan des Fingerabdrucks wird das Profil der genetischen Eigenschaften des Abdrucks, die Minutien, erfasst und zu einem individuellen Datensatz umgerechnet. Dieser ist somit unfälschbar.
Aber es werden bei einer solchen Praxis auch personenbezogene Daten verarbeitet, urteilte beispielsweise das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg. Es war mit einem Fall betraut, in dem ein Angestellter sich weigerte, an der biometrischen Zeiterfassung in seinem Unternehmen teilzunehmen. Er erhielt daraufhin mehrere Abmahnungen und klagte deshalb vor dem Arbeitsgericht. (Urteil vom 04.06.2020, AZ: 10 Sa 2130/19).
Dieses urteilte, dass es sich bei der biometrischen Zeiterfassung um Kategorien personenbezogener Daten (Art. 9 Abs. 1 DSGVO, § 26 Abs. 3 BDSG) handelt. Deshalb braucht es, um ein biometrisches Zeiterfassungssystem zu nutzen, die Einwilligung jedes einzelnen Mitarbeiters. Da es sich um einen starken datenschutzrechtlichen Eingriff handelt, wenn Körperteile wie Iris oder Fingerabdruck gescannt und datentechnisch verarbeitet werden, müssen Angestellte aber die Option der Ablehnung haben – und das ohne einen Nachteil wie etwa eine Abmahnung zu erleiden.
Deshalb, so das Gericht, müssen Arbeitgeber eine Alternative zur biometrischen Zeiterfassung anbieten. Eine weitere Ausnahme zur Nutzung sind Kollektivvereinbarungen. Außerdem ist die biometrische Zeiterfassung eine Option, wenn keine Alternative vorliegen ist, also z. B. einfachere Zeiterfassungssysteme mittels Chipkarte nicht in Frage kommen. Es bleibt offen, in welcher Fallkonstellation dies eine ausreichende Begründung sein könnte.
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