Öfter kommt die Frage auf, wie in die Akten und Dokumente beim Träger rund um die Kinder- und Jugendhilfe eingesehen werden darf – und durch wen. Da hier auf Seiten des Leistungsempfängers und dessen familiären Umfeldes gegenläufige Interessen zwischen den beteiligten Personen bestehen können, ist diese Frage im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe von besonderer Relevanz. Mit dem Folgenden Beitrag versuchen wir, einen ersten Überblick zu verschaffen.
Anspruch gegen Behörde
Gegen die Behörde – hier in der Regel das Jugendamt – besteht unter den Voraussetzungen des § 25 SGB X i.V.m. § 8 SGB X ein Anspruch auf Akteneinsicht. Dies besteht jedoch nur während eines laufenden Verwaltungsverfahrens, da Beteiligte an einem Verwaltungsverfahren ein Recht darauf haben, die Akten ihres Verwaltungsverfahrens einzusehen. Voraussetzung für das Akteneinsichtsrecht ist daher insbesondere, dass es sich überhaupt um ein (laufendes) Verwaltungsverfahren im Sinne von § 8 SGB X handelt. Dies ist der Fall, wenn am Ende des Verfahrens ein Verwaltungsakt steht.
Neben das Akteneinsichtsrecht tritt das Recht auf Auskunft über gespeicherte Daten nach Art. 15 DSGVO. Dies ergibt sich auch im Umkehrschluss aus § 83 SGB X.
Hinzu kommt ein allgemeines Informationsrecht nach den Informationsfreiheitsgesetzen der Bundesländer. Das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) des Bundes gilt nicht in der Jugendhilfe, weil sie nicht von Bundesbehörden geleistet wird. In der Regel beinhalten die Informationsfreiheitsgesetze der Bundesländer aber Regelungen, die den Schutz von Sozialgeheimnissen beinhalten. In der Regel ist dort auch zur Offenbarung personenbezogener Daten grundsätzlich die Zustimmung des/der jeweiligen Betroffenen einzuholen.
Insofern kann ein Ersuchen nach Akteneinsicht grds. auch immer (zusätzlich) mit dem Hinweis versehen werden, dass der Auskunftsersuchende auch an die zuständige Behörde wenden kann.
Anspruch gegen den Träger
Das Auskunftsrecht gegenüber den freien Trägern ergibt sich aus Art. 15 DSGVO, da hier der Anspruch nach § 25 SGB X nicht greift. Auch ein Anspruch nach den Informationsfreiheitsgesetzen der Bundesländer wird in der Regel nicht bestehen, da diese nur für Behörden und Einrichtungen des Landes sowie juristischen Personen des Privatrechts gilt, denen Hoheitsaufgaben des Landes zugewiesen worden sind.
Da die vollständige Akte i.S.d. § 25 SGB X nicht beim Träger, sondern beim Jugendamt liegt, ist eine vollständige Akteneinsicht beim Träger selbst schon grds. nicht möglich. In der Einrichtung selbst befindet sich in der Regel keine vollständige Akte, sondern Notizen und ggf. systematisch geordnete Unteralgen über die jeweiligen Personen. Allein dies kann theoretisch der Anspruch eines Auskunftsrechtes sein.
Inhalt bzw. Beschränkung des Anspruchs
Da die freien Träger keine Sozialleistungsträger i.S.v. § 35 SGB I sind, gelten die Regelungen des SGB VIII und SGB X nicht direkt und unmittelbar. Trotzdem ist in § 61 Abs. 3 SGB VIII geregelt, dass sicherzustellen ist, dass der Schutz der personenbezogenen Daten bei der Erhebung und Verwendung in entsprechender Weise gewährleistet ist, wenn Einrichtungen und Dienste der Träger der freien Jugendhilfe in Anspruch genommen werden. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist Garant dafür, dass der Datenschutz bei den freien Trägern entsprechend den Vorgaben der SGB VIII und SGB X beachtet wird (z.B. durch Selbstverpflichtung oder Vereinbarung).
Nach § 63 Abs. 1 SGB VIII gilt u.A. die Vorschriften des §§ 65. SGB XIII. Der Schutz gilt für alle personenbezogenen Daten, die der freie Träger selbst einholt und die auch das Jugendamt zu schützen hätte.
Wird jedoch ein freier Träger der Jugendhilfe autonom tätig, erhält dieser also weder Daten noch einen Auftrag vom öffentlichen Träger, so finden die Vorschriften zum Sozialdatenschutz in der Regel keine Anwendung. Es gelten insoweit die Regelungen der DSGVO und des BDSG.
Grenze der Akteneinsicht:
Da der Anspruch nach § 14 DSGVO lediglich der betroffenen Person zusteht, kann grds. keine Person eine vollständige Akteneinsicht beim Träger verlangen, sondern dies lediglich in Bezug auf die eigenen Daten tun.
Zudem dürfen nach der Vorschrift des § 65 SGB VIII Sozialdaten, die der oder dem Mitarbeitenden eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe zum Zweck persönlicher und erzieherischer Hilfe anvertraut worden sind, nur unter bestimmten Voraussetzungen weitergegeben werden. Durch den Verweis aus § 61 Abs. 3 SGB VIII gilt dies auch bei freien Trägern bzw. dessen Beschäftigten.
§ 65 Abs. 1 S. 1 SGB VIII begründet daher im Rahmen seines Anwendungsbereichs eine gesetzliche Geheimhaltungspflicht (VG Potsdam, Beschluss vom 2. Dezember 2016 – VG 9 L 1351/16 –, S. 5 BA). Demnach besteht in der persönlichen und erzieherischen Hilfe ein besonderer Vertrauensschutz. Sozialdaten, die dem Mitarbeiter zum Zwecke persönlicher und erzieherischer Hilfe anvertraut worden sind, dürfen von diesem nur nach den Vorgaben des § 65 Abs. 1 S. 1 SGB VIII weitergegeben und übermittelt werden.
Dies kann nach Nr. 1 der Regelung die Einwilligung desjenigen sein, der die Daten anvertraut hat. Zwar beinhaltet die Regelung in den Nr. 2 bis Nr. 5 noch weitere mögliche Erlaubnistatbestände, diese werden aber im Normalfall nicht vorliegen.
Nach § 67 Abs. 2 SGB X sind Sozialdaten personenbezogene Daten, die von einer in § 35 SGB I genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch verarbeitet werden. Nach Art. 4 Nr. 1 der DSGVO wiederum sind personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf identifizierte und identifizierbare natürliche Personen beziehen.
Nach Ansicht des VG Cottbus (Urteil v. 22.06.2020 – Az.: 8 K 444/17) greift der besondere Sozialdatenschutz des § 65 Abs. 1 SGB VIII daher in der Regel hinsichtlich aller Unterlagen, die die Kinder sowie Familienangehörige betreffen oder mittelbar Rückschlüsse auf diese zulassen wie insbesondere deren inhaltliche Angaben gegenüber dem Mitarbeiter des Jugendamtes oder der Einrichtung. Gerade in Beratungssituationen nach §§ 16 ff. SGB VIII und bei allen Formen der Hilfe zur Erziehung nach 27 ff. §§ SGB VIII baut die konkrete Fachkraft ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Leistungsempfänger auf, in dessen Rahmen es regelmäßig zur Übermittlung von intimen Informationen kommt, die einer Offenbarung gleichkommen. Insoweit ist bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass sich die offenbarende Person darauf verlässt, dass die von ihr offenbarten Informationen nicht weitergegeben werden. Dies kann dazu führen, dass Eltern keinen Anspruch auf Übermittlung von Daten haben, wenn es um die Unterlagen bzgl. der Kinder- und Jugendhilfe ihrer Kinder geht. Hier ist im Einzelfall zu prüfen, ob und welche Daten herausgegeben werden können.
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